Das Adam Smith Projekt. Das Gesamtwerk von Adam Smith im Spiegel von Michel Foucaults Analyse der liberalen Gouvernementalität
Die Doktorarbeit interpretiert das Werk Adam Smiths mit Hilfe von Michel Foucaults Konzept der liberalen Gouvernementalität. Auf diese Weise entwickelt sie eine neuartige Perspektive auf das Denken des schottischen Aufklärers und vermag zugleich die Frage zu klären, welche emotionalen Subjektivierungstechniken dem Funktionieren liberaler Gesellschaften zugrunde liegen.
Projektnr.: G 209
Bastian Ronge
Laut Foucault besitzt die liberale Regierungspraxis des 18. Jahrhunderts folgende Merkmale: Sie versucht nicht zu »herrschen«, sondern mit Hilfe von Sicherheitsdispositiven zu »regieren«. Sie nutzt die natürlichen Regulierungsprozesse innerhalb der Bevölkerung bzw. der Gesellschaft, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Die Herausforderung besteht darin, das richtige Maß an Regierungsaktivitäten zu finden. Die Regierung muss die natürlichen Regulationsprozesse anreizen, ohne sie zu verfälschen. Ihr politischer Erfolg hängt davon ab, so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich zu regieren. Diese Charakterisierung der liberalen Regierungspraxis lässt sich im Werk von Adam Smith fast eins zu eins wiederfinden.
Auch er empfiehlt der Regierung, die natürlichen Regulationsprozesse zu nutzen; auch er vertritt die liberale Maxime des „laissez-faire". Deutlich wird dies in seinem berühmten Buch über den „Wealth of Nations“, in dem er ein »natural system of liberty« für die Wirtschaft fordert. Allerdings meint Smith damit nicht – wie viele Interpreten behaupten –, dass sich die Politik vollständig aus dem Wirtschaftsleben zurückziehen sollte. Vielmehr soll sie die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich die Freiheit der Wirtschaftsakteure auf natürliche Weise regulieren kann. Freiheit ist für Smith etwas, das von der Regierung aktiv hergestellt und gesteuert werden muss. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang die »Selbsttechniken« (techniques de soi). Mit diesem Begriff bezeichnet Foucault Praktiken, durch welche Menschen ein bestimmtes Selbstverhältnis ausbilden.
Leider kam Foucault nicht mehr dazu, jene Selbsttechniken zu untersuchen, die der liberalen Regierungspraxis zugrunde liegen. Die Auseinandersetzung mit Adam Smith hilft in diesem entscheidenden Punkt weiter. In seiner weniger bekannten „Theory of Moral Sentiments“ fragt sich Smith, warum Menschen in moralischen Angelegenheiten so handeln und urteilen wie sie es tun. Die Antwort findet er im Vermögen der „sympathy“. Durch das Hineinversetzen in den Gefühlszustand unserer Mitmenschen können wir sowohl ihr Verhalten als auch unser eigenes Handeln beurteilen. Die »empfindsamen« Selbstpraktiken kultivieren diese Fähigkeit: Der häufige Besuch im Theater oder die Lektüre von empfindsamen Romanen helfen uns dabei, die Gefühle unserer Mitmenschen besser mitfühlen zu können. Auf diese Weise erwerben wir einen emotionalen Habitus, der uns dazu befähigt, fremde Handlungen moralisch beurteilen und unser eigenes Verhalten an die Erwartungen unserer sozialen Umwelt anpassen zu können. Diese Selbstregierung ist die Voraussetzung dafür, dass sich die Politik aus der Regierung der Gesellschaft zurückziehen kann. Die Politik des Liberalismus basiert, mit anderen Worten, auf einer gelungen empfindsamen Subjektivierung. ssertation abschließend die Frage des späten Foucaults aufzunehmen, ob und inwiefern die antiken Selbstpraktiken - vor allem diejenigen der stoischen Philosophie - zum „ersten und letzten Punkt des Widerstands gegen die politische Macht“ gemacht werden können.
Disziplin
Philosophie
Betreuer
Prof. Dr. Wilhelm Schmidt-Biggemann
Prof. Dr. Hilge Landweer