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Wechselwirkungen zwischen sprachlichen und emotionalen Kompetenzen. Vergleichende Untersuchungen bei Kindern und Erwachsenen mit sprachsystematischen bzw. emotionalen Störungen (114)

Projektlaufzeit:

Projektleiter/innen: Gisela Klann-Delius, Hauke Heekeren, Christina Kauschke, Prisca Stenneken

Mitarbeiter/innen: Judith Levy, Christine Wendt

Verfasser/innen des Abschlussberichts: Christina Kauschke, Prisca Stenneken, Judith Levy, Christine Wendt

1. Fragestellung

Ziel des Projekts war die Untersuchung der Verarbeitung emotionaler Komponenten in Sprachverstehen und Sprachgebrauch bei klinischen Probandengruppen. Dabei stand die Versprachlichung emotionaler Inhalte in unterschiedlichen Aufgaben und Diskurszusammenhängen im Fokus. Eine Besonderheit des Projekts war der Vergleich der Profile von Kindern und Erwachsenen mit sprachsystematischen Störungen auf der einen und sozial-pragmatischen Defiziten auf der anderen Seite. Dazu wurden vier Probandengruppen mit vier Störungsformen untersucht: Kinder mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen, Kinder aus dem autistischen Spektrum, Erwachsene mit Aphasien und Erwachsene mit zentralen, nicht-aphasischen Kommunikationsstörungen.
In der Forschungsliteratur fanden sich nur wenige Studien, die die Interaktion von sprachlichen und emotionalen Komponenten im Kommunikationsprozess gezielt überprüfen. Ebenso selten waren Studien, die Populationen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen sowie Kinder und Erwachsene mit parallelisierter Methodik untersuchen. Daher mangelte es bislang an geeigneten Verfahren zur Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen sprachlichen und emotionalen Kompetenzen, die sowohl mit Kindern als auch mit Erwachsenen durchführbar sind. In diesem Projekt wurde daher eine solche Testbatterie entwickelt und erprobt. Zentrale Fragestellungen des Projekts waren:

1. Vergleich der Störungsbilder: Unterscheiden sich Probanden mit emotional-pragmatischen Defiziten von Probanden mit sprachsystematischen Defiziten?

2. Vergleich der Altersstufen: Unterscheiden sich Probanden mit entwicklungsbedingten Beeinträchtigungen von Probanden mit erworbenen Defiziten in den untersuchten Variablen?

Bei einem Vergleich der Profile der Störungsgruppen wurden emotional-pragmatische Auffälligkeiten auch bei sprachsystematisch beeinträchtigten Patienten erwartet und umgekehrt. Des Weiteren wurden Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich des Ausmaßes der jeweiligen Störung und des qualitativen Störungsmusters erwartet, sodass die in der Forschungsliteratur und in der klinischen Praxis übliche strenge Differenzierung der Störungsprofile (entweder sprachsystematischer oder sozial-emotionaler Schwerpunkt) überdacht werden müsste

2. Methoden, Ergebnisse und Perspektiven

In der ersten Phase des Projekts wurde den Planungen im Antrag entsprechend eine umfangreiche Testbatterie zur Erfassung kommunikativer, kognitiver, sprachlicher, emotionaler und sozial-pragmatischer Leistungen entwickelt. In einer umfangreichen Pilotstudie wurden verschiedene Maße für sprachlich-kommunikative sowie kognitive Leistungen an einer Stichprobe erwachsener Probanden mit kognitiv-kommunikativen Defiziten erprobt. Die verwendeten Tests wurden weitgehend in die spätere Testbatterie aufgenommen. Zudem zeigten die Auswertungen innerhalb dieser Stichprobe, dass Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Leistungsbereichen mit behavioralen Maßen untersuchbar sind.

Alle Verfahren der Testbatterie wurden speziell für die Untersuchungsgruppen ausgewählt. Neben der Verwendung bestehender standardisierter und altersangemessener Verfahren zu sprachlichen Leistungen (rezeptiv und expressiv), Fragebögen zur Kommunikationsfähigkeit und zum Sozialstatus sowie Tests und Aufgaben zu kognitiven Fähigkeiten wurden zahlreiche Tests und Aufgaben speziell und erstmalig für unsere Probandengruppen verändert, eigens entwickelt oder für das Deutsche adaptiert.

Testung sprachlicher und kognitiver Grundkompetenzen

Als Einschlusskriterium für alle Probanden diente die Leistung in einem nonverbalen Intelligenztest. Weitere kognitive Maße wurden durch die Überprüfung der Exekutivfunktionen und des Arbeitsgedächtnisses erhoben. Für die sprachlichen Maße wurden mit allen Kindern ein produktiver Wortschatztest (WWT, Glück, 2007) und ein rezeptiver Grammatiktest (TROG-D, Fox, 2009) durchgeführt. Zur Überprüfung der pragmatischen Fähigkeiten wurde die Children’s Communication Checklist (CCC, Bishop, 1998) angewandt. Des Weiteren wurden demographische Daten erhoben. Die Erwachsenen wurden über die allgemein-kognitiven Leistungen hinaus ebenfalls in ihren sprachlichen Leistungen (AAT, Huber et al., 1983) getestet.

Testung emotionaler Kompetenzen

In Zusammenarbeit mit Isabel Dziobek (Projekt 216) wurde ein videobasiertes Verfahren zur Emotionserkennung entwickelt (Think Twice – Emotion Recognition Test for Children, Kirst et al., in prep.). Das neu entwickelte Verfahren erfasst Emotionserkennung erstmals verbal und non-verbal und wird durch den Einsatz von Videos der Komplexität alltäglicher Kommunikationssituationen eher gerecht als bisherige Verfahren. Zusätzlich findet eine Differenzierung zwischen positiven vs. negativen Emotionen sowie zwischen komplexen Emotionen vs. Basisemotionen statt.

Spezifische Verfahren zur Untersuchung der Fragestellungen des Projekts

Animated Shapes

Die Methode der animated shapes (Abell et al., 2000) ist ein videobasiertes Verfahren, in dem zwei Dreiecke entweder interagieren oder willkürliche Bewegungen ausführen. Probanden sehen und beschreiben die Videos. Die Analyse beinhaltete die Bestimmung der Länge der Beschreibungen, die Zählung der Types und Tokens, die Verwendung innerpsychischer Begriffe sowie eine Einschätzung des Grads der beschriebenen Mentalisierung.

Wortgenerierungs- und Wortassoziationsaufgaben

Wortgenerierungsaufgaben wurden sowohl als Maß exekutiver Funktionen als auch zur Messung lexikalischer Fähigkeiten herangezogen (Keil & Kaszniak, 2002; Ruff et al., 1997). Die Probanden erhielten kategoriale Überbegriffe mit neutralem oder emotionalem Gehalt, zu denen sie Unterbegriffe nennen sollten. Außerdem wurden Begriffe mit unterschiedlicher emotionaler Valenz vorgegeben, zu denen die Probanden andere Begriffe assoziieren sollten. Die Auswertung bezog die Anzahl und den Inhalt der gegebenen Antworten ein.

Strange Stories

Dieses Verfahren nach Happé (1994) arbeitet mit Geschichten zur Überprüfung fortgeschrittener theory of mind-Fähigkeiten und wurde für das Projekt für das Deutsche adaptiert. Da im Projekt auch emotionale Fähigkeiten getestet werden sollten, wurden  zusätzlich Geschichten mit emotionalem Gehalt erstellt. Des Weiteren wurden Kontrolldaten von 68 Erwachsenen erhoben und das Stimulusmaterial nach linguistischen Kriterien kontrolliert. In der Auswertung wurden korrekte, partielle oder falsche Inferenzleistungen erfasst.

Nacherzählung von Geschichten

Allen Probanden der Kindergruppen wurde ein Video mit einer Geschichte mit einem komplexen Handlungsablauf vorgespielt, den die Kinder nacherzählen sollten. Die Geschichten wurden aufgezeichnet, transkribiert und hinsichtlich der narrativen Fähigkeiten und der Versprachlichung emotionaler Inhalte ausgewertet.

MASC-MC

Alle Probanden der Erwachsenengruppe wurden zusätzlich mit dem MASC-MC (Dziobek et al., 2006) getestet. Dieses videobasierte Verfahren dient der Erhebung alltagsnaher, komplexer sozial-kognitiver Fähigkeiten. Den Probanden werden Fragen zu den mentalen Zuständen der Personen im Video gestellt, die sie durch die Wahl einer Antwort aus vier möglichen Antworten lösen sollen.

Internal State Language

Verschiedene der oben beschriebenen Untersuchungen basierten auf sprachlichen Produktionsdaten. Diese wurden unter der Fragestellung ausgewertet, welche und wie viele der produzierten Wörter auf innere (z.B. mentale und emotionale) Zustände Bezug nehmen. Wörter für Inneres stellen einen Aspekt der sogenannten Internal State Language (ISL) dar.
Für das Projekt wurde ein Klassifikationsschema entwickelt, mit dem Wörter kategorisiert werden können, die auf innere Zustände referieren. Dieses Schema orientiert sich an den Kategorien von Bretherton & Beeghly (1982) sowie von Klann-Delius & Kauschke (1996), welche erweitert und verändert wurden. Mit Hilfe dieser Klassifikationsweise wurden die Reaktionen der Probanden in den Wortgenerierungsaufgaben, in der Beschreibung der animierten Videos und in den Nacherzählungen ausgewertet.

Probanden

Es existieren bisher keine Untersuchungen, die die hier untersuchten Gruppen miteinander vergleichen. Vorhandene Studien beinhalten zudem häufig kleinere Gruppen, da die Akquirierung passender Probanden äußerst aufwändig ist. Durch die Rekrutierung von ≥20 Probanden pro Gruppe wurde eine hervorragende Datenbasis gewonnen, über die in der folgenden Tabelle ein Überblick gegeben wird.

Probanden-gruppe

Kinder aus dem Autistischen Spektrum

Kinder mit SSES

Kinder ohne Entwicklungs-auffälligkeiten

Erwachsene mit Aphasie

Erwachsene mit nicht-aphasischen Kommunikations-störungen

N

24

24

21

20

20

insgesamt getestete Probanden

89

32

29

22

20

Ziel der Rekrutierung der Kindergruppe waren drei Gruppen von mindestens 20 monolingual deutsch sprechenden Kindern im Alter von 8 bis 12 Jahren. Die Kinder mit SSES wurden an drei Sprachheilschulen in Nordrhein-Westfalen sowie an einer Sprachheilschule in Marburg getestet. Die Kinder aus dem Autistischen Spektrum wurden im ganzen Bundesgebiet rekrutiert. Einschlusskriterium war die Diagnose des Asperger Syndroms bzw. einer hochfunktionalen Form des Autismus. Um die angestrebten Stichprobengrößen zu erreichen, wurden in allen Gruppen deutlich mehr Kinder getestet, als letztlich in die Stichproben aufgenommen werden konnten (siehe Tabelle oben). Zahlreiche Kinder mussten nach den Vortests aufgrund unterdurchschnittlicher kognitiver Leistungen oder wegen Bilingualismus ausgeschlossen werden.
Die Probanden der Erwachsenengruppe wurden in Praxen und neurologischen Rehabilitationskliniken im gesamten Bundesgebiet erhoben. Aufgrund ihrer Anamnese wurden bereits vor der Testung zahlreiche hirngeschädigte Probanden wegen vorliegender Begleiterkrankungen aus der Untersuchung ausgeschlossen. Einschlusskriterien in die Untersuchungen waren die deutsche Muttersprache sowie eine korrigierte Seh- und Hörschärfe. Ausschlusskriterien umfassten das Vorliegen dementieller Prozesse sowie psychiatrischer Erkrankungen.

Mit allen Probanden fanden drei Sitzungen à ca. einer Stunde statt. Die Testungen wurden in einem ruhigen Raum durchgeführt. Die Datenerhebung stimmte mit den ethischen Standards überein, wie sie 1964 in der Helsinki-Deklaration festgelegt wurden.

Ergebnisse zu den Probandengruppen mit erworbenen Sprach- und Kommunikationsstörungen

Es wurden zwei Stichproben von Personen mit erworbenen Sprach- und Kommunikationsstörungen im Erwachsenenalter untersucht: Sprachsystematische Störungen (Aphasien) und Störungen des Kommunikationsverhaltens (kognitiv-kommunikative Störungen). Diese zwei Gruppen von Störungsbildern zeigen weitgehend dissoziierte Leistungen. Erwartungsgemäß waren die Personen mit Aphasien in den sprachstrukturellen Aufgabentypen vergleichsweise stärker beeinträchtigt und zeigen Fehlermuster, die den linguistischen Beschreibungsebenen zugeordnet werden können.

Dagegen ergaben die Analysen der Gruppe mit kognitiv-kommunikativen Störungen ein heterogenes Beeinträchtigungsbild. Schwerpunkte der Beeinträchtigungen waren, auch hier entsprechend den Erwartungen, kommunikative und sozial-kognitive Aufgabentypen, jedoch ließen detaillierte Leistungsvergleiche mit der Gruppe der Aphasien kein eindeutig abgrenzbares Störungsprofil erkennen. Vielmehr zeigten sich in einigen Aufgabenbereichen zu komplexeren sprachlichen Leistungen ähnliche Beeinträchtigungen in beiden Stichproben. Dieses letztere Ergebnis spricht gegen eine klare Abgrenzbarkeit der beiden Störungsbilder und unterstützt die Hypothese eines Kontinuums von sprachsystematischen und kognitiv-kommunikativen Störungen mit graduell unterschiedlicher Ausprägung der Störungsschwerpunkte.

In einer detaillierteren Untersuchung innerhalb der Stichprobe von nicht-aphasischen Personen (Wendt, Müller, & Stenneken, 2010) wurden die sozial-kognitiven Beeinträchtigungen spezifiziert. Analysiert wurden die Daten von nicht-aphasischen Patienten mit Frontalhirnläsion in einem videobasierten, alltagsnahen Test zum Verständnis sozialer Kognition (Dziobek et al., 2006), um einen möglichen Zusammenhang nicht-sprachlicher kognitiver Fähigkeiten (wie Exekutivfunktionsleistungen und Arbeitsgedächtnisleistungen) mit sozial-kognitiven Fähigkeiten zu untersuchen. Die Ergebnisse deuten auf eine Relevanz von Exekutivfunktionsleistung für die sozial-kognitiven Fähigkeiten hin, auch wenn Einflüsse kommunikativer Leistungen und der Arbeitsgedächtnisleistung kontrolliert wurden (Wendt, Müller, & Stenneken, 2010).

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse des Projekts, dass unsere Testbatterie erfolgreich erstellt werden konnte und gut durchführbar war. Insgesamt lassen sich systematische Leistungsunterschiede zwischen den Probandengruppen nachweisen. Zudem zeigen sich für einzelne Leistungen, beispielsweise in Aufgaben zur Wortflüssigkeit und zur Assoziation, charakteristische Unterschiede zwischen den Probandengruppen. Hier ergeben Analysen (Paarvergleiche und multivariate Kovarianzanalysen) gruppenspezifische, systematische Effekte der Aufgabenanforderung und in der emotionalen Valenz. Die bisherigen Ergebnisse sprechen für einen klaren Einfluss der Emotionalität auf die Wortgenerierung und tragen damit zu einem besseren Verständnis der Wechselwirkungen zwischen sprachlichen und emotionalen Komponenten in der Kommunikation bei.

Ergebnisse zu den Probandengruppen mit entwicklungsbedingten Sprach- und Kommunikationsstörungen

Zwei Gruppen von Kindern zwischen 8 und 12 Jahren wurden mit einer einheitlichen Testbatterie untersucht und mit einer Kontrollgruppe von Kindern mit unauffälliger Entwicklung verglichen. Alle Kinder zeigten normale Leistungen hinsichtlich ihrer nonverbalen Intelligenz. Während für Kinder mit hochfunktionalem Autismus (HFA) laut Forschungsstand vor allem Probleme in den Bereichen der Kommunikation, Theory of Mind und der Emotionsverarbeitung zu erwarten waren, sollten sich Kinder mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen (SSES) vorrangig durch Einschränkungen der sprachsystematischen Fähigkeiten auszeichnen.

Dies bestätigte sich zunächst in den standardisierten Sprachtests: Kinder mit SSES schnitten in Tests zum produktiven Vokabular und zum Grammatikverständnis deutlich schlechter ab als die Kontrollgruppe. Die sprachsystematischen Leistungen der Probanden mit HFA lagen zu 85% im Normbereich und waren im Mittel nicht signifikant schlechter als die der Kontrollgruppe. Ebenso bestätigte sich die Annahme, dass für Kinder mit SSES in einem Fragebogen zu pragmatischen Fähigkeiten weniger Auffälligkeiten berichtet wurden als für die Kinder mit HFA.

Im neu erstellten Test zur Emotionserkennung, in dem in Videos dargestellte emotionale Zustände erkannt bzw. benannt werden mussten, hatten dagegen beide Gruppen Probleme, die bei Kindern mit SSES überraschenderweise sogar stärker ausgeprägt waren als bei den Probanden mit HFA. Ein ähnliches Muster zeigte sich in weiteren Aufgaben, die die Versprachlichung von Emotionen in unterschiedlichen Kontexten erforderten. In der Aufgabe zur Wortgenerierung konnten alle Probanden, auch die Kontrollgruppe, mehr Begriffe zu einem neutralen Oberbegriff („Tiere“) als zum Oberbegriff „Gefühle“ nennen, ebenso gab es in der Assoziationsaufgabe den erwarteten Vorteil für die nicht-emotionale Bedingung.

In der emotionalen Bedingung unterschieden sich die drei Gruppen nicht voneinander. Die isolierte Produktion von Wörtern mit emotionalem Gehalt ist in der untersuchten Altersstufe offenbar unabhängig vom Vorliegen eines Störungsbildes problematisch. Beim Beschreiben von animierten Videos zeigte sich dann, dass die Kinder der Kontrollgruppe zwar längere Beschreibungen produzierten, sich alle Gruppen jedoch im Hinblick auf die Verwendung emotionaler Begriffe glichen. Die Probanden mit HFA zeigten hier wiederum keine besondere Schwäche.

Ein dritter Untersuchungsschwerpunkt lag auf der Analyse von Erzählungen (Dissertationsprojekt Judith Levy). Hier erzählten die Kinder eine zuvor auf Video gesehene Geschichte nach. Untersucht wurden die narrativen Kompetenzen in Bezug auf die Realisierung der Makrostruktur, die Verwendung kohäsiver Mittel sowie von Konnektoren und der Einsatz evaluativer Mittel. Außerdem wurde die Verwendung von Wörtern für innere Zuständedetailliert analysiert und das Verständnis der affektiven Anteile der Geschichte überprüft. Die Ergebnisse wiesen auf herausstechende Einschränkungen der narrativen Fähigkeiten bei den Kindern mit SSES hin: So gaben die sprachauffälligen Kinder weniger Aspekte der Gesichte wieder und verbalisierten die relevanten Kernelemente der Geschichte seltener.

Zudem zeigten sie große Probleme in der Nutzung sprachlicher Mittel der Wiederaufnahme (z.B. korrekte Verwendung von Personalpronomen). Im Vergleich aller Gruppen verwendeten sie den geringsten Anteil von Wörtern für innerpsychische Zustände. Die Kinder mit SSES zeigten somit nicht nur starke Defizite in den sprachstrukturellen narrativen Aspekten, sondern auch Auffälligkeiten bei der Versprachlichung innerer Zustände und bei der Bezugnahme auf emotionale Komponenten der Geschichte. Dagegen zeigten die Probanden mit HFA in nahezu allen Variablen bessere Leistungen als die Probanden mit SSES und unterschieden sich meist nur in geringem Maße oder gar nicht von der Kontrollgruppe.

Dieses Muster blieb bestehen, wenn die sprachlichen Fähigkeiten als Kovariate einbezogen wurden. Damit erweisen sich Kinder mit SSES als durchaus anfällig im Bereich der Versprachlichung von emotionalen Inhalten, während die Kinder mit HFA in diesen strukturierten Untersuchungssituationen nicht auffällig wurden. Mit anderen Worten, die für Autismus erwartbare Fokussierung der Problematik auf emotionale Aspekte in der Sprache konnte nicht bestätigt werden, ebenso wenig zeigen sich hier Stärken für Kinder mit SSES.

Eine dichotome Sichtweise auf die Störungsbilder wird durch die Ergebnisse somit in Frage gestellt. Vielmehr kristallisieren sich sozial-emotionale Probleme als Bestandteil der Symptomatik von Sprachstörungen heraus, während Menschen aus dem autistischen Spektrum trotz zugrunde liegender sozial-emotionaler Auffälligkeiten in strukturierten Kontexten offenbar über Strategien zur Bewältigung kommunikativer Anforderungen verfügen, die in den Untersuchungskontexten erfolgreich eingesetzt wurden.

Die Ergebnisse dieses Projektes zeigen, dass emotionale, kognitive und sprachliche Prozesse sehr viel differenzierter zusammenwirken als bislang in der psycholinguistischen und patholinguistischen Forschung angenommen wurde. Insofern tragen sie nicht nur zu einem genaueren Bild der „Languages of Emotion“ bei, sondern verweisen zudem darauf, dass therapeutische Prozesse bei Sprachstörungen zu überprüfen sind.

3. Literatur

Abell, F., Happé, F. & Frith, U. (2000). Do triangles play tricks? Attribution of mental states to animated shapes in normal and abnormal development. Cognitive Development 15, 1-16.

Bishop, D.M.V. (1998). Development of the Children's Communication Checklist (CCC): A Method for Assessing Qualitative Aspects of Communication Impairment in Children. Journal of Child Psychology and Psychiatry 39 (6), 879-891.

Bretherton, I. & Beeghly, M. (1982). Talking About Internal States: The Acquisition of an Explicit Theory of Mind. Developmental Psychology, 18 (6), 906-921.

Dziobek, I., Fleck, S., Kalbe, E., Rogers, K., Hassenstab, J., Brand, M. et al. (2006). Introducing MASC: A Movie for the Assessment of Social Cognition. Journal of Autism and Developmental Disorders, 36(5), 623–636.

Fox, A.V. (2009). TROG-D. Test zur Überprüfung des Grammatikverständnisses. 4. Auflage. Idstein: Schulz-Kirchner Verlag GmbH.

Glück, C. W. (2007). Wortschatz- und Wortfindungstest für 6-10-Jährige (WWT 6-10). München: Elsevier.

Happé, F. (1994). An advanced test of theory of mind: Understanding of story characters' thoughts and feelings by able autistic, mentally handicapped, and normal children and adults. Journal of Autism and Developmental Disorders, 24 (2), 129–154.

Huber, W., Poeck, K., Weninger, D. & Willmes, K. (1983). Aachener Aphasie Test (AAT). Göttingen: Hogrefe.

Keil, K. & Kaszniak, A.W. (2002). Examining executive function in individuals with brain injury: A review. Aphasiology, 16, 305-355.

Kirst, S.; Levy, J.; von Saldern, S.; Kauschke, C.; Stenneken, P.; Dziobek, I. (in preparation):
Think Twice – Verbal and Nonverbal Video-based Assessment of Emotion Recognition in Autism and Typical Development.

Klann-Delius, G. & Kauschke, C. (1996). Die Entwicklung der Verbalisierungshäufigkeit von inneren Zuständen und emotionalen Ereignissen in der frühen Kindheit in Abhängigkeit von Alter und Affekttyp: eine explorative, deskriptive Längsschnittstudie. Linguistische Berichte, 161, 68-89.

Ruff, R.M., Light, R.H., Parker, S.B. & Levin, H.S. (1997). The Psychological Construct of Word Fluency. Brain and Language, 57, 394-405.

Wendt, C., Müller, E. & Stenneken, P. (2010). Soziale Kognition und Exekutivfunktionen bei Patienten mit Frontalhirnläsion: Gibt es einen Zusammenhang? In F. Petermann & U. Koglin (Eds.), 47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Programm (p. 196). Bremen: Pabst Science Publishers.

Publikationen

Kauschke, C. (2012). Sprechen über Inneres -  die Versprachlichung von Emotionen im Kindesalter. SAL-Bulletin 145. 4-16.

Levy, J. (2012). Emotionale und sprachliche Kompetenzen bei Kindern mit spezifischer Sprachentwicklungsstörung und Asperger Syndrom. SAL-Bulletin 144. 5-18.

Levy, J. (2012). Emotionale und sprachliche Kompetenzen bei Kindern mit spezifischer Sprachentwicklungsstörung und Asperger Syndrom. SAL-Bulletin 144. 5-18.

Wendt, C., Müller, E. & Stenneken, P. (2010). Soziale Kognition und Exekutivfunktionen bei Patienten mit Frontalhirnläsion: Gibt es einen Zusammenhang? Koglin, F. P. U. (Ed.), 47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Programm. 196. Bremen: Pabst Science Publishers.