Prosodie und Affekttheorie im 18. Jahrhundert
Wie komponiert man ein zorniges Gedicht? Das Projekt geht denjenigen metrischen Theorien des 18. Jahrhunderts nach, die den lyrischen Gefühlsausdruck in die Silben verlagern.
Die Diskussion um affektive Qualitäten rhythmisierter bzw. metrisierter Verse wird für die deutsche Dichtung in den Jahren von ca. 1730 bis 1800 auf sehr breiter Basis geführt: Eine Vielzahl an bislang verstreuten Quellen lässt sich für das 18. Jahrhundert nachweisen. Die Möglichkeiten der Affekterregung durch Prosodie werden detailliert erörtert und reichen von minutiösen affekttheoretischen Anleitungen im Sinne der Schulrhetorik (gleichsam als prosodische Tonartencharakteristik) bis hin zur bloßen Wirkungsbeschreibung, die eine theoretische Herleitung der Gefühlswirkung qua ›Tonkunst‹ kategorisch ausschließt.
Diese Erörterungen gehen einher mit Plädoyers für eine Einführung der antiken Versmaße und dem damit verbundenen Wunsch nach einer Musikalisierung der Verssprache, die eine größere emotionale Wirkungsmacht des Dichterwortes entfalten soll. Aufgabe des Projektes ist es, das Quellenmaterial zu sichten, auszuheben und die Bedeutung für die zeitgenössischen Debatten auf diese Weise zu konturieren. Es ist zu erwarten, dass mit der Kenntnis des historischen Materials ein Zugewinn für die modernen (neurowissenschaftlichen) Theorien erreicht werden kann.
Auf gleichsam mikroskopischer Basis wird somit ein Beitrag zur Geschichte der künstlerischen Affektmodellierung im Zeichen von Rhetorik, Poetik und Ästhetik entstehen, der über einen historischen Höhepunkt der ›Affektprosodie‹ aufklärt.
Publikationen
Korten, L., Wißmann, F., Stenger, J., Menninghaus, W. (2011). Metrum, Rhythmus, Melodie. ›Der Maiabend‹ von Johann Heinrich Voß und Fanny Hensel. Poetica 43. 81-102.
Korten, L. (2010). »Wälzen und Rollen«. Goethes jambische Trimeter. Goethe-Jahrbuch 127. 57-69.