Kollektive Emotionen und nationale Identifikation am Beispiel der FIFA Fußballweltmeisterschaft 2010 (408)
Wir untersuchen anhand der FIFA WM 2010, ob kollektive Emotionen die nationale Identifikation und Gefühle der Gruppenzugehörigkeit verbessern und erneuern, während sie gleichzeitig die Beurteilung von Minderheiten abschwächen.
Was sind Zugehörigkeitsgefühle? Welche Rolle spielen sie für die Identifikation mit einer Gruppe oder Nation? Und wie beeinflussen sie soziales Handeln? Diese Fragen werden in den Sozialwissenschaften seit langem intensiv diskutiert. Bis heute bleibt jedoch unklar, welche Prozesse und Mechanismen der Verankerung und Priorisierung von nationaler und kollektiver Identität zugrunde liegen und welche Rolle Emotionen dabei spielen. Das Projekt geht diesen Fragen nach und bündelt dabei Expertise aus Soziologie, Psychologie und Neurowissenschaften.
Soziologische und sozialpsychologische Theorien lassen vermuten, dass das Erleben von kollektiven Emotionen die Identifikation mit der eigenen Gruppe oder Nation sowie langfristige Gefühle der Zugehörigkeit hervorrufen und verstärken kann. Gleichzeitig werden diesen Gefühlen auch (negative) Auswirkungen auf das Verhalten gegenüber Außenstehenden zugeschrieben. Wir prüfen diese Annahmen, indem wir die FIFA Fußball-WM 2010 als "natürliches Experiment" betrachten, bei dem zuverlässig kollektive Emotionen empfunden werden. Anhand von Fragebogenstudien untersuchen wir den Grad der nationalen Identifikation sowie die Einstellungen gegenüber anderen Gruppen in Abhängigkeit der während der WM erlebten kollektiven Emotionen. Zudem untersuchen wir mit Hilfe funktioneller Magnet-Resonanz-Tomographie (fMRT) auf neuronaler Ebene die emotionale "Aufladung" nationaler Symbole (z.B. Nationalflagge) im Zuge der Fußball-WM 2010. Schließlich prüfen wir in einem spieltheoretischen Ansatz, welche Auswirkungen das Empfinden kollektiver Emotionen auf das Verhalten gegenüber Fremdgruppenmitgliedern in einem sozialen Dilemma hat.
Publikationen
Beyer, M., Ismer, S., von Scheve, C. (2014, im Druck). The Social Consequences of Collective Emotions: National Identification, Solidarity, and Out-Group Derogation. Sullivan, G. (Ed.) Emotions of Collective Pride and Group Identity: New Directions in Theory and Practice. Routledge: London.
Ismer, S. (2014, im Druck). Collective emotions and the imagined national community. Sullivan, G. (Ed.) Emotions of Collective Pride and Group Identity: New Directions in Theory and Practice. Routledge: London.
von Scheve, C., Salmela, M. (Eds.) (2014). Collective emotions. New York: Oxford University Press.
von Scheve, C., Beyer, M., Ismer, S., Kozłowska, M., Morawetz, C. (2014). Emotional entrainment, national symbols, and identification: A naturalistic study around the men’s football World Cup. Current Sociology 62(1). 3-23.
von Scheve, C., Ismer, S. (2013). Towards a theory of collective emotions. Emotion Review 5(4). 406-413.
von Scheve, C. (2012). Collective emotions in rituals: Elicitation, transmission, and a “Matthew-Effect”. Michaels, A., Wulf, C. (Eds.). Emotions in Rituals and Performance. London: Routledge. 55-77.
Ismer, S. (2011). Embodying the nation: Football, emotions, and the construction of collective identity. Nationalities Papers.
Ismer, S. (2011). Fußball – Pop – Gemeinschaft: Musik in der medial-rituellen Konstruktion von Nation. Phleps, T., Reich, W. (Eds.). Musik-Kontexte. Festschrift für Hanns-Werner Heister. 377-388. Münster: Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat.
Sullivan, G. B. (2011). Emotional foundationalism? Critical remarks on a phenomenological-psychoanalytic account of ethno-national identity. Ethnicities 11 (1). 123-130. doi:10.1177/1468796810388705
Sullivan, G. B. (2010). Expressions of pride and proud feelings. Freitas-Magalhães, A. (Ed.). Emotional expression: The brain and the face. Vol. 2. 173-201. Oporto: University Fernando Pessoa Press.