Die Bedeutung emotionaler Hinweisreize für den Erwerb und das Behalten von Wörtern bei Kindern im Alter von 14, 20 und 26 Monaten (113)
(Wie) Beeinflusst emotionale Prosodie das Wortlernen bei Kleinkindern? Diese Frage wollen wir mit unserer experimentellen Studie mit Kleinkindern beantworten.
In unserer Studie untersuchen wir die Interaktion von Emotion, Kognition und Sprache in frühkindlichen Entwicklungsphasen. Dabei fokussieren wir auf ein bisher kaum erforschtes Thema: Den Einfluss von affektiver Prosodie auf das Wortlernen bei 14, 20 und 26 Monate alten Kindern. Speziell untersuchen wir den Einfluss positiver ("glücklicher") Prosodie und negativer ("warnender") Prosodie, jeweils im Kontrast zu neutraler ("Nachrichtensprecher") Prosodie. Die drei Altersgruppen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Sprachentwicklungsstandes, verfügen aber alle über die Fähigkeit des fast mappings, das heißt, sie können nach nur wenigen Begegnungen mit einem Wort und seinem Referenten einen partiellen Lexikoneintrag aufbauen. Diese Fähigkeit nutzen wir für unsere Experimente.
Methodologisch kombinieren wir eine nicht-behaviourale Trainingsphase (Ereignis-Korrelierte Potentiale, EKP) mit einer behaviouralen Objekt-Auswahl Aufgabe. In der Trainingsphase sehen die Kinder Bilder von 32 unbekannten Objekten in Kombination mit Pseudowörtern. Die Hälfte dieser Objekt-Wort-Paare wird mit positiver/negativer Prosodie, die andere Hälfte mit neutraler Prosodie präsentiert. Innerhalb der Emotionsbedingung wird die Hälfte der Objekte je acht Mal konstant mit einem Wort präsentiert (= Lernen möglich), der anderen Hälfte der Objekte wird in jeder der acht Präsentationen mit einem anderen Wort dargeboten (= kein Lernen möglich). In der Testphase wird das Kind aufgefordert ein benanntes Objekt aus einer Menge von vier Objekten, alle aus derselben Emotionsbedingung, auszuwählen. Um zu untersuchen, welche Worte behalten wurden, wird diese Testphase am folgenden Tag wiederholt.
Die bisherigen Ergebnisse der Studie mit positiver vs. neutraler Prosodie weisen auf emotionsbezogene Verarbeitungsunterschiede hin: In der neutralen Emotionsbedingung zeigen sich die erwarteten Lerneffekte im EKP (N200-500 und N400), bei der positiven Emotionsbedingung hingegen nicht. Dass dieses Resultat nicht auf fehlendem Lernen beruhen kann, belegen die Ergebnisse des behaviouralen Tests. Besonders die 20 Monate alten Kinder profitieren am ersten, jedoch nicht am zweiten Tag, von der emotionalen Prosodie: sie wählen häufiger ein benanntes Objekt korrekt aus, wenn es in der Trainingsphase mit positiver Prosodie präsentiert wurde. Bei den 14 und 26 Monate alten Kindern findet sich kein Hinweis auf die Unterstützung des Wortlernens durch emotionale Prosodie. Die Gründe dafür sind jedoch unterschiedlicher Natur. Während bei den 14 Monate alten Kindern der Grund möglicherweise in ihrer begrenzten Wortlernkapazität liegen kann, lernten und behielten die 26 Monate alten Kinder die Wörter in beiden Bedingungen gleich gut. Eine Unterstützung des Wortlernens durch positive Prosodie ist bei Kindern dieses Alters nicht mehr so wichtig wie zuvor.
Publikationen
Friedrich, M., Friederici, A. D. (2010). Maturing brain mechanisms and developing behavioural language skills. Brain & Language 114 (2). 66-71. doi: 10.1016/j.bandl.2009.07.004.
Friedrich, M. (2008). Neurophysiological correlates of picture-word priming in one-year-olds. Friederici, A. D., Thierry, G. (Eds.). Early Languages Development: Bridging Brain and Behaviour. 137-160. Amsterdam: John Benjamins. Series "Trends in Language Acquisition Research" (TiLAR), Volume 5.
Klann-Delius, G. (2008). Modelle des kindlichen Wortschatzerwerbs. Wahl, M., Heide, J., Hanne, S. (Eds.). Spektrum Patholinguistik I. 1-18. Potsdam: Universitätsverlag Potsdam.
Klann-Delius, G. (2008). Spracherwerb. Stuttgart/Weimar: Metzler.
Friedrich, M., Friederici, A. D. (2005). Phonotactic knowledge and lexical-semantic processing in one-year-olds: Brain responses to words and nonsense words in picture contexts. Journal of Cognitive Neuroscience 17 (11). 1785-1802.
Grossmann, T., Striano, T., Friederici, A. D. (2005). Infants’ electric brain responses to emotional prosody. NeuroReport 16 (16). 1825-1828.