Affektwissen und Wirkungsästhetik in der Avantgarde. Am Beispiel der Russischen Staatlichen Akademie der Kunstwissenschaften (121)
Die Tätigkeit der GAChN ("Staatliche Akademie der Kunstwissenschaften") in der frühen Sowjetunion (1923-1929) widerlegt das rezeptionsgeschichtliche Dogma von der avantgardistischen Negation emotiver Schaffens- und Wirkungsaspekte.
Gegenstand des Projekts ist ein transdisziplinärer Diskurs über emotionale Wirkungsdimensionen der Kunst in der frühen Sowjetunion. Ziel ist die Erschütterung eines rezeptions-geschichtlich etablierten Dogmas der Negation emotiver Schaffens- und Wirkungsaspekte seitens der theoretischen und künstlerischen Avantgarden.
Im Zentrum der Untersuchungen wird eine bislang in der wissenschaftlichen Rezeption stark vernachlässigte Institution stehen, die eine Schnittstelle "psychophysiologischen" und ästhetiktheoretischen Wissens der Zeit war: die GAChN ("Staatliche Akademie der Kunstwissenschaften"). Sie war von 1923 bis 1929 ein Ort der Begegnung von Künstlern der Avantgarde, Philosophen aus der russischen phänomenologischen Schule, Psychologen und Neurologen, die sich mit der experimentellen Erforschung von Kunstrezeption beschäftigten und u. a. Affektwirkungen von Farb-, Gestalt- und Tempowahrnehmungen untersuchten. Einen weiteren Untersuchungs-Schwerpunkt bildet die Funktionalisierung neurophysiologischer reflexologischer Konzepte für künstlerische Affektauslösungen. Die besondere Signifikanz emotiver Wirkungsaspekte für eine Verbindung psychologisch-experimenteller und poetologischer Ansätze soll am Beispiel der Deklamationsforschung beschrieben werden.