Unfassbar gut! Emotionen angesichts des Exzellenten und Überwältigenden
Bei der interdisziplinären Tagung der Nachwuchsgruppe "Verehrung und Bewunderung" diskutieren die Teilnehmer die emotionale Beziehung zu fremdem Können und fremder Größe.
26.10.2012
Organisation: Johannes Windrich, Ines Schindler, Veronika Zink, Fabian Löwenbrück
26. und 27. Oktober 2012
"Unfassbar gut!": zu diesem Urteil kommen wir, wenn uns etwas tief beeindruckt oder immer wieder aufs Neue in Staunen versetzt. Man kann einzelne Handlungen, Fähigkeiten oder Werke, aber auch Personen als ganze für herausragend halten – in Kunst, Sport und Erziehung, in der Religion, im persönlichen Umkreis, unter medial vermittelten Berühmtheiten, charismatischen Figuren und generell bei Autoritäten aller Art. Derartige Objekte können Staunen und Bewunderung, Ehrfurcht und Verehrung, aber auch Neid und Scham auslösen. Bedenkt man die Häufigkeit und Wichtigkeit dieser Phänomene, so erstaunt, wie wenig Forschung bisher insbesondere zu den "positiven" Emotionen aus dieser Liste vorliegt. Eine systematische Klärung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen ihnen steht noch aus. Bei dieser Aufgabe ist neben psychologischer und soziologischer auch geisteswissenschaftliche Expertise gefragt.
Die Probleme rund um Verehrung und Bewunderung sollen im Rahmen einer interdisziplinären Tagung an der Freien Universität Berlin untersucht werden. Es geht um die emotionale Beziehung zu fremdem Können und fremder Größe, d.h. um eine genaue Bestimmung der diesen Emotionen zugrundeliegenden Mechanismen, Dimensionen, Praktiken sowie der kontextbedingten Unterschiede im Erleben.
Sektion 1: Bewunderung und Verehrung im Spiegel der (Kunst-) Geschichte
Die Sicht auf die genannten Emotionen hat sich im Laufe der Jahrhunderte tiefgreifend gewandelt – und mit ihr die Verwendung der betreffenden Begriffe. Wegmarken dieses Prozesses sind etwa Descartes' Bestimmung der "admiration" in Les passions de l'âme (1649) oder die Unterscheidung von Be- und Verwunderung im Briefwechsel zwischen Lessing, Nicolai und Mendelssohn (1756/57). Neben Traktaten zu Philosophie, Poetik, Rhetorik usw. dokumentieren auch Kunstwerke, seit jeher bevorzugte Organe der Preisung, diese Transformationen. Das Themengebiet erstreckt sich von der Tradition der admiratio über die Rolle von Verehrung, Bewunderung etc. in bestimmten Kunstgattungen bis hin zur Reflektion der Lobemotionen in aktuellen Diskursen, namentlich in Jean-Luc Nancys jüngst erschienenem Buch zur "adoration".
Sektion 2: Soziale Erfahrungs- und Handlungsräume des Außerordentlichen
Neben dem religiösen Bereich konstituieren sich neue und eventuell eigengesetzliche Möglichkeitsräume der Erfahrung von Emotionen wie Bewunderung, Verehrung und Ehrfurcht – dies zeigt der Blick auf Sport, Politik, Unterhaltung usw. Parallel dazu ist eine Transformation der (u.a. massenmedialen) Inszenierungsmöglichkeiten und der kulturellen Praktiken zu beobachten. Es stellt sich die Frage, inwieweit man es hier – vor dem Hintergrund der langen Tradition von Verehrung, Bewunderung u. dgl. in der Religion und in den Künsten – mit neuen Konditionen, Deutungsweisen und Mechanismen zu tun hat und welche soziale Signifikanz der Erfahrung des Außerordentlichen zukommt.
Sektion 3: Das emotionale Spektrum im Umgang mit dem Herausragenden, Unerreichbaren und Beispielhaften sowie dessen Determinanten
Es gilt zu klären, unter welchen Umständen es zu positiven und negativen Emotionen und Reaktionen kommt (z.B. Bewunderung vs. Neid) und wie sich das emotionale Erleben in der Situation entfaltet und verändert. Das Augenmerk liegt auf den Voraussetzungen und zugrundeliegenden Mechanismen der emotionalen Wirkung des Exzellenten. Hierbei interessiert die Rolle von situativen Faktoren (insbesondere Nähe und Distanz in ihren unterschiedlichen Ausformungen, Attraktion und Repulsion) ebenso wie der Einfluss von individuellen Charakteristika der erlebenden Person.
Sektion 4: Ästhetische Emotionen und Lobemotionen
In der abschließenden Sektion sollen die Ergebnisse zusammengeführt und in einen weiteren Horizont gestellt werden. Dabei geht es insbesondere um die Rolle der "other-praising emotions" innerhalb der ästhetischen Erfahrung. Weisen Verehrung, Bewunderung, Ehrfurcht etc. im Umgang mit ästhetischen Artefakten spezifische Merkmale auf, hat man es hier mit Sonderformen dieser Emotionen zu tun?
Tagungsprogramm
Freitag, 26.10.2012
Sektion 1: Bewunderung und Verehrung im Spiegel der (Kunst-) Geschichte
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Begrüßung (Johannes Windrich, Berlin)
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Zum Feld von admiración und adoración bei Teresa de Ávila (Iris Roebling-Grau, München)
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Ästhetik der Verwunderung (Dietmar Till, Tübingen)
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Jean-Luc Nancy , L'Adoration (Esther von der Osten, Berlin)
Sektion 2: Soziale Erfahrungs- und Handlungsräume des Außerordentlichen
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Einführung (Veronika Zink, Berlin)
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Repräsentationen des Außerordentlichen (Bernhard Giesen, Konstanz)
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Metaphern des unbeschreiblichen Gefühls (Regine Herbrik, Berlin)
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Politische Religionen unter emotionssoziologischem Fokus (Sabine Haring, Graz)
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Abschlussdiskussion
Abendvortrag: Complementary relations between adoration and admiration within a unified theory of emotion (Gerald C. Cupchik, Toronto)
Samstag, 27.10.2012
Sektion 3: The emotional spectrum in response to the outstanding and unreachable
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Introduction (Ines Schindler, Berlin)
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Adoration from the standpoint of seduction theory (Francis Le Maitre, Konstanz)
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Admiration and adoration: Characteristics and differences (Fabian Löwenbrück & Ines Schindler, Berlin)
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Appreciation of beauty and excellence as a strength of character (Angelika Güsewell, Zürich)
Sektion 4: Aesthetic emotions and other-praising emotions (chaired by Fabian Löwenbrück, Berlin)
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What are aesthetic emotions? I (Winfried Menninghaus, Berlin)
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What are aesthetic emotions? II (Klaus Scherer, Genf)
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Aesthetic emotions and other-praising emotions (Johannes Windrich, Berlin)
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Discussion