In der Anklage der Sinne. Filmische Expressivität und das Schuldgefühl als Modalität des Gemeinschaftsempfindens
In welcher Art und Weise versuchen Filme ein moralisches Gefühl wie das der Schuld im Zuschauer zu evozieren? Wie entfalten sie die affektiven Grundlagen von geteilten Werten und Geschichte(n), von Identitäten und Handlungsdispositionen?
Projektnr.: G 306
Matthias Grotkopp
"Sieh, was du getan hast!" In diesem kleinen Satz kristallisiert sich die Bedeutung von Sinnlichkeit und körperlicher Affizierung für die Einübung moralischer Werte und Normen. Das Dissertationsprojekt will diesen Zusammenhang von affektivem Selbstbezug und normativem Weltbezug in seiner ästhetischen Modulation durch audiovisuelle Medien theoretisch fassen und an exemplarischen Beispielen analysieren.
Was bedeutet es kulturell und historisch, wenn die Handlungen der Revolverhelden oder der Kavallerie im späten Western dem Zuschauer auf einmal Bauchschmerzen bereiten? Stellt sich das deutsche Nachkriegskino der kollektiven Schuld, oder verschiebt es diese zur kollektiven Scham? Welche moralischen Einstellungen gestalten Dokumentarfilme zur globalen Erwärmung, um ihr Publikum zu konkreten anderen Handlungsweisen zu bewegen?
Die Evokation moralischer Gefühle ist ein Modus, in dem Filme sich auf solche Fragen beziehen wie: Wer sind wir? Was für eine Geschichte teilen wir? Welche Werte und Handlungsweisen halten wir für gut oder schlecht? Dabei muss der einzelne Film das ganz bestimmte Weltverhältnis von "Moral und Gefühl" immer erst herstellen. Gerade das Schuldgefühl ist hierfür prägnant, da die Implikation der Zuschauer in die dargestellten moralischen Konflikte erst durch spezifische mediale Konstellationen und Adressierungen entsteht.
Disziplin
Filmwissenschaft
Betreuer
Prof. Dr. Hermann Kappelhoff